Strahlendes Wetter, glühende Landschaften

Zuerst die gute Nachricht: Das von Perm aus nächste Atomkraftwerk ist in der Nähe von Jekaterinburg, ca. 500 km von mir entfernt. Die Entfernung ist schonmal ein bischen beruhigend…

Jetzt die schlechte: Es ist das Atomkraftwerk Beloyarsk, ein schneller Brutreaktor. Mit Natriumkühlung. Ohne Containment. Mit einer langen Vorgeschichte von Störfällen.

Schnelle Brutreaktoren haben den Vorteil, dass sie, wenn sie richtig funktionieren, mehr Nuklear-Brennstoff erzeugen, als sie verbrauchen. Blöderweise ist dieser Reaktortyp noch technisch anspruchsvoller und störanfälliger als die normalen Siede- oder Druckwasserreaktoren. Weshalb das Kraftwerk in Beloyarsk auch öfter mal stillstand.

Zu den besonderen Eigenheiten von Beloyarsk 3 (dem einzigen Block der zur Zeit läuft) gehört, dass er einen deutlich höheren Anteil von angereichertem Uran hat (17-26% U-235) als normale Reaktoren hat. Und dann wäre da noch das Kühlsystem: in Brutreaktoren werden in der Regel flüssige Metalle (z.B. Natrium oder Blei) in den inneren Kühlkreisläufen verwendet. Bekanntermaßen gehört Natrium ja zu den reaktionsfreudigeren unter den Elementen, ich könnte mir da so ein, zwei Komplikationen vorstellen, sollte es zu einem Kühlmittelleck kommen… brennendes Kühlmittel, sowas kann einem richtig den Tag versauen…

Netterweise haben sich die Genossen Kraftwerkskonstrukteure beim Bau des Blocks das Containment gespart, wenn also mal was richtig schief geht, hat also gleich die ganze Gegend was davon.

Und schiefgehen tut in Beloyarsk schon hin und wieder mal was. So wie 1978 bei der partiellen Kernschmelze in Block 2 (heute abgeschaltet) oder ein Jahr später als das Dach über diesem Reaktor einstürzte und ein Feuer auslöste. Dabei wäre es beinahe zum  GAU gekommen, man bereitete schon die Evakuierung der Gegend vor. Aber immerhin haben die Genossen bei der ganzen Sache ein paar Erfahrungen gemacht, die sie ein paar Jahre später in einem kleinen Ort im Norden der Ukraine gebrauchen konnten. Learning by doing…

Aber weil das alles so super funktioniert, wird mittlerweile Block 4 gebaut. (Mit Unterbrechungen schon seit Mitte der achtziger Jahre, genau wie unser Haus…)

So, wer sich jetzt immer noch nicht genug gruselt, dem sei dieser Podcast empfohlen. Oder diese Doku.

Aber in Russland werden zum Glück auch alternative Energien erforscht. Es gibt da ein sehr vielversprechendes Projekt zur Ausnutzung der Rotationsenergie sich im Grabe umdrehender Altkommunisten.

Und immer dran denken, das Wort heißt „nukular„.

Bildquelle: Wikipedia

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6 Antworten zu Strahlendes Wetter, glühende Landschaften

  1. Katinka schreibt:

    Lieber Experte,

    du bist ja auf vielen Gebieten ziemlich fit … heute hat hier jemand im Radio erzählt, Kernenergie ist die Büchse der Pandora des 21. Jahrhunderts , ich finde das trifft´s .

    Leider kann ich Dir weder mit Jodtabletten noch mit Geigerzähler behilflich sein. Beides ist in hier ausverkauft— die spinnen die Deutschen !!!

  2. philvpermi schreibt:

    Ich dachte immer, das sei die Büchse des 20ten Jahrhunderts, und im 21ten gäbs ne neue… Gentechnik oder so…

    • Katinka schreibt:

      Lieber Philipp,

      es ist ja schön, Dich wenigstens auf den Fotos von anderen Bloggern zu sehen. Können wir weiter hoffnungsfroh sein, was Deinen persönlichen Blog betrifft ? ich freu mich immer von Dir zu lesen.

      • philvpermi schreibt:

        ich glaube irgendwie nicht daran, das ich das blog noch mal entstaube… bin halt nicht son großer selbstdarsteller…

  3. Hansen schreibt:

    Unwesentlich weiter entfernt liegen übrigens die satten Wiesen von Majak,die blaue Tetscha und der betonierte Karatschai-See mit seinen urwüchsigen Anwohnern. Geh besser in Deckung – das ist vermutlich der verstrahlteste Ort des Planeten…

  4. CMR schreibt:

    Wozu in die Ferne schweifen……
    Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht…..
    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten267.html
    Grüsse C.

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